Sonntag, 7. Juli 2013

Gewaltakt

Auf dem Jungfernsee
Ich bin eine Frostbeule. Manchmal. Vor allem nachts. Ich schlafe meist mit geschlossenem Fenster, weil mir bisweilen sehr kalt wird. Ich kann nicht verstehen, wieso meine Eltern selbst im Winter bei offenem Fenster und ohne Heizung schlafen können.
Dennoch liebe ich es draußen zu schlafen. Beim Camping etwa. Dennoch wollte ich immer mal eine Nacht auf dem Boot verbringen, auf meinem Boot. Und unter diesen Rahmenbedingungen war klar, dass die Temperaturvorhersage deutlich mehr Gewicht bei der Auswahl eines geeigneten Wochenendes haben würde als die Windvorhersage. Ziemlich bekloppt für einen Segler.
Der Plan: Üblicherweise und bei gutem Wind schaffe ich es mit meinem irgendwie immer langsamsten Boot auf dem See maximal bis zum Wannsee und zurück. Wenn ich nun einfach nicht zurück fahre, dann müsste ich bis zum Krampnitzsee kommen und am nächsten Tag zurück kommen. Auf dem Krampnitzsee könnte ich dann schön ankern und die Nacht verbringen.
Es kam etwas anders.
In Spitzen versprach der Wind 25 km/h aus Nordwest. Nun ist 25 km/h in Böen so gut wie nichts. Da wie gesagt mein Schiff immer das langsamste ist, ist es noch weniger als nichts. Man steht quasi auf dem See. Das Blöde ist dann noch, dass ich irgendwann nach Nordwest muss, da also wo der Wind herkommt. Für die Nichtsegler: Das ist extrem Käse.
Erschwerend kam hinzu, dass am nächsten Tag Wind von Nord angesagt war, übrigens in Spitzen mit 20 km/h. Also noch weniger als weniger als nichts. Außerdem: Nord ist die Richtung, in die ich hauptsächlich muss, wenn ich dann wieder zurück will. Also wieder extrem Käse!
Glienicker Brücke voraus

Die Hintour lief besser als gedacht: Langsame aber ausreichend Fahrt mit Wind von Hinten. Zeit für eine Badepause. Ich passiere die Pfaueninsel und werfe so langsam den Motor an, da der Wind nun völlig einschläft. Den Krampnitzsee habe ich angesichts der fortgeschrittenen Stunde längst aufgegeben. Immerhin ist der Jungfernsee in Sicht – bis zur Glienicker Brücke will ich mindestens kommen. Klappt auch. Am Jungfernsee kann ich sogar noch einmal ein bisschen segeln und entdecke in wunderschönes historisches  Schiff auf dem Wasser. Dann in einer Bucht Anker werfen, Feierabend. Erstmal baden gehen. Zwei Mal!
 
Beim After-Sundowner
Ich hole das Schwert hoch und bin etwas unsicher, ob mein Ankerplatz so gut gewählt war. Immerhin ist der Jungfernsee so eine Art Hauptkreuzung in der Binnenschifffahrt. Hier treffen sich zwei Kanäle und zwei Hauptrichtungen der Havel. Mit jedem durchgehenden Schiff und deren Wellen gerät die kleine Geli wegen des fehlenden Schwerts beim Ankern gewaltig ins Schwanken. Das Schwert will ich nicht unten lassen, weil das beim Schwanken ein unangenehmes Geräusch beim Hin- und Herwackeln gibt. Aber irgendwann beruhigt sich der Verkehr. Ab 22:00 ist Ruhe. Und ich sitz an Deck und koch mir mein Essen. Nichts besonderes, nur Eintopf. Dazu ein Bier quasi als Sundowner (auch wenn sich die Sonne bereits verabschiedet hat).
Leichter Nebel um 05:30
In der Nacht schlafe ich schlecht. Ich bin sehr aufgeregt. Ich hab zwar auch den Ankeralarm im Telefon angemacht und die Batterien meines Ankerlichts sind ganz frisch. Dennoch ist es das erste Mal für mich vor Anker und das lässt mich immer wieder aufwachen. Um 05:30 stecke ich den Kopf aus der Luke und sehe ein tolles Bild der ankernden Boote um mich herum wie sie im dampfenden Wasser liegen. Klar, es ist saukalt an der Luft und das Wasser ist schön warm.
Um 09:00 dann stehe ich endgültig auf, frühstücke gemütlich, springe ins Wasser und fahre los. Unter Motor. Denn der Nordwind kommt nicht etwa aus Nord. Nein, er folgt dem Wasserverlauf, weil er entsprechend kanalisiert und abgelenkt wird. Das bedeutet: Ich kann mich für die gesamte Rückfahrt auf Gegenwind einstellen. Ich motore bis hinter die Pfaueninsel und gehe erstmal baden. Aber auch danach ist segeln zunächst kaum möglich. Endlich, am großen Auge wo es in den Wannsee geht bis zum Knick der Havel, endlich steht ein guter Wind aus der richtigen Richtung an. Ich kreuze gegenan und gerate sogar in bedrohliche Schieflage. Was für ein Spaß! Wahrscheinlich wird der Wind hier beschleunigt. So komme ich bis zur Lieper Bucht.
Dort stelle ich fest, dass ich trotz Sonnencreme völlig verbrannt bin und springe erstmal ins Wasser. Danach dann will ich einfach nur heim. Ich hab genug vom vielen Motoren und bin irgendwie auch müde. Unter Motor und Segel komme ich bis in die Heimatbucht, gehe nochmal baden, packe schonmal alles zusammen und dann ab in den Hafen.
Wahnsinn, wie schnell die Zeit mal wieder verging, dabei habe ich doch kaum etwas gemacht. Ich beschließe, an einem warmen Wochenende wieder draußen zu schlafen, aber nicht so weit weg. Die Stimmung am Morgen wird ähnlich auch hier oben sein und da bin ich schneller wieder daheim. Bis zum Krampnitzsee wage ich es jedenfalls nur bei idealen Windverhältnissen: NO 4-5 am Samstag und SW 4-5 am Sonntag. Alternativ auch SO am Samstag.

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