Donnerstag, 10. Juni 2010

Jungfernfahrt mit Geli

Eigentlich war der Plan, das Boot möglichst früh in diesem Jahr ins Wasser zu lassen. April und Mai haben bereits wunderbare warme Tage, an denen man herrlich segeln kann. Einen Strich durch die Rechnung machte mir nicht nur meine enge Zeitplanung, sondern vor allem auch „Jack“, wie ich mal meinen „Johnson“ 4PS Außenborder mal nennen will. Der nämlich wollte nicht anspringen uns bescherte mir saftige Rechnungen: Für die Marina, weil ich nicht wegkam und für den Arzt für Jack.
Das bitterste aber war, dass ich Geli quasi den gesamten April und Mai nicht nutzen konnte. Die wenigen Wochenenden, die sowohl vom Wetter als auch von meinem Zeitplan her zum Segeln taugten, fielen aus, weil ich mich ohne Motor und ohne die Segel auch nur einmal getestet zu haben nicht allein auf das Wasser getraut habe. Schon das Navigieren in der Marina allein mit dem Paddel war mir zu risikoreich, da die Gassen eng und die Boote teuer waren. Als Papa dann paddeln helfen wollte, war der Wind viel zu stark. Im Nachhinein eine gute Entscheidung, dass wir es sein gelassen haben. Inzwischen weiß ich wie stark man paddeln muss um den Kahn zu bewegen. Wir hätten keine Chance gehabt und wären voll ans Land oder andere Boote geknallt.
Irgendwann Ende April war es dann endlich soweit: Der Motor funktionierte zwar immer noch nicht, aber um Kosten zu sparen wollte ich endlich rüber zum Liegeplatz, gerade weil auch eine Woche SKS-Törn anstand, in der ich nichts machen konnte. Der Plan: Morgens vor der Arbeit den Kahn rübersegeln. Moli hat geholfen. Gott sei Dank, denn es war quasi Windstille. Aus dem Segeln wurde Paddeln. Und für den einen Kilometer haben wir gute drei Stunden gebraucht. Spaß hat es dennoch gemacht.
Irgendwann im Mai dann war endlich auch Jack repariert. Und Ende Mai nach vielen stressigen und belegten Wochenenden rund um eine große Feier bei Moli war endlich Platz für die Jungfernfahrt. Ideale Windverhältnisse, nicht zu stark, aber ausreichend zum Fahren. Moli am Steuer – und es schien ihr richtig Spaß zu machen. Vor dem Grunewaldturm wurde geankert (Hurra, einen Anker habe ich auch an Bord gefunden!) und das schöne Wetter genossen. Und erst mit dem Sonnenuntergang sollten wir an diesem Tag wieder den Liegeplatz erreichen. Das Anlegen klappte erstaunlich gut – Dank dessen, was ich im SKS-Törn gelernt habe.
Jetzt im Juni, wo wieder viele Wochenenden belegt sind, habe ich einfach mal einen Tag in der Woche frei genommen, als das Wetter ideal war – und ich habe etwas für mich heftiges gewagt: Ich bin ALLEIN rausgefahren. Wenig Wind am Liegeplatz vermittelte mir die Sicherheit, das tun zu können.
Das Ablegemanöver war doch von größeren Ängsten gekennzeichnet. Der Wind kam von vorn und ich musste doch vorn zuerst losmachen. Dabei ist die Luvleine doch die letzte, die man losmacht. Gelöst habe ich das Problem mit Vorwärtsschub, sodass meine Achterleine zur Quasi-Luvleine wurde.
Das Segelsetzen war auch eine Herausforderung, klappte aber erstaunlich gut. Der Motor hält gut den Kurs mit etwas Gas ohne dass jemand am Steuer sitzt. Wenn der Wind schwächer ist schafft man es bequem, das Segel zu setzen.
Dann folgte entspanntes Einhandsegeln. Auch wenn ich ziemlich langsam unterwegs war, war es dennoch einfach nur schön. Ich rief beim Segeln Papa an, um von meinem Erfolg zu erzählen.
Am Grunewaldturm wurde der Wind aber auf einmal heftig böig. Viele Boote hatten 45° Krängung und ich mit meinem kenterbaren Jollenkreuzer nur noch Schiss. Ich ging auf Raumwindkurs und suchte eine windgeschützte Stelle zum Segelbergen und Ankern.
Als der Anker gefallen war machte ich mich mit der Funktion der Badeleiter vertraut. Herrlich warm das Wasser! Ich hatte tierisch Spaß. Aber irgendwie wäre es zu Zweit deutlich schöner gewesen!
Nun folgte noch das Anlegemanöver, vor dem ich große Angst hatte so ganz allein. Aber ich erinnerte mich an Jörgs Worte, der uns beibrachte, alles mit nur einer einzigen Leine zu machen. Und siehe da: Es funktioniert! Man braucht nur die achterne Luvleine und kann sich dann entspannt um alle anderen Leinen kümmern.
Jetzt bin ich ein echter Kolumbus auf der Havel!

Immerhin überlebt!

Zum tagtäglichen Davonträumen zählt für mich auch das Verfolgen einiger derer, die zumindest teilweise meinen Traum leben. Zweien ist jetzt der der BGAU passiert, der „beinahe“ größte anzunehmende Unfall.
Immer jünger werden die Weltumseglerinnen, die derzeitige Rekordjägerin hat es im indischen Ozean getroffen. Neun Meter Welle haben den Mast zerlegt, das EPIRB wurde wohl aktiviert, aber Mrs. Sunderland geht es gut.
Eigentlich hab ich immer gesagt, dieses EPIRB dient nur als Anzeige für die Angehörigen, dass man mit Sicherheit tot ist. Aber klar, wenn die Wellen die Takelage, alle Wanten und Stagen und Antennen wegsäbeln, dann ist da nichts mehr, mit dem man funken kann. Das EPRIB kann in so einem Moment recht hilfreich sein, wenn kein Satellitentelefon an Bord ist.
Mehr getroffen hat mich das Schicksal von Bernt Lüchtenborg, dessen Havarie mich am selben Tag wie das der Mrs. Sunderland über seine Homepage http://sail2horizons.com/ erreichte. Seit Monaten verfolge ich nun schon seine Reise in seinem Online-Blog. In seinem Buch bin ich eher ins Stocken geraten.
Ein Querschläger hat nach der erfolgreichen Kap Hoorn Rundung (im dortigen Winter!) sein Handgelenk verletzt und die Aries zerstört. Als es passierte war er gar nicht weit weg von der Position, bei der Johanna und Klaus, jene Protagonisten des fast wie eine Initialzündung wirkenden und mich fesselnden Buches zu ihrer Weltumsegelung, ihr Boot und ihr Leben verloren. In seinem Buch und auch bei seiner ersten seiner doppelten Weltumseglung hat Lüchtenborg auf Johanna und Klaus verwiesen, er kennt ihr Schicksal und denkt bei dieser Position wohl ganz natürlich an deren Schicksal.
Lüchtenborg hat sein traumhaftes Schiff an die Felsen des Beagle-Kanals verloren, nachdem der Wind zu stark für den Anker war und er versuchte das Schiff segelnd zu retten. Aber Gott sei Dank ist er wohlauf. Damit dürfte er allerdings einen Großteil dessen verloren haben, was Leben für ihn ausmachte, noch dazu der negative - wenn wohl auch selbst eingehandelte - Medienrummel. Ich habe großen Respekt vor ihm - egal wie viele Leute an Bord und wie viele Häfen er angelaufen hat - und habe gerade in den letzten Monaten oft darüber nachgedacht, dass wohl auch aus mir – wenn dann – eher einer dieser Einhandsegler (mit Ab-und-zu-Begleitung) werden wird, die irgendwie – wenn man den Büchern glaubt – spezielle und sonderbare Eigenschaften haben, die ich allerdings auch bei mir vorzufinden glaube.
Dennoch, einmal mehr sei ich gewarnt: Lass die Finger von diesem Kap Hoorn. Auch Skipper Jörg sagte: „Das mach ich nie wieder“. Ich will mein Leben nicht unnötig riskieren und hoffe, dass ich mich daran erinnere, wenn ich mal soweit bin, dass ich es theoretisch machen könnte. Kap Hoorn will ich mal sehen, die Antarktis auch, aber das soll nicht auf eigenem Kiel und auf gar keinen Fall allein sein.